Der Koffer ist gepackt. Auf geht's in den Urlaub. ©Stefan Schweihofer auf Pixabay

Eine Option ist Mennonite Your way

Hier geht’s zur Version in plautdietscher Sprache.

Gibt es den tatsächlich, den plautdietschen Urlaub? Nutzen die plautdietschen Mennoniten ihre weltweiten Kontakte, um ihre Cousins, Nichten, Omas und Opas, alten Freunde, Kollegen und ehemaligen Nachbarn in en den Ferien zu besuchen, um tagelang und ausgiebig richtig zu „spazieren“?

Besuch aus Kanada

Aufgewachsen in der Kolonie Neuland, war es für mich als Kind immer ein besonderes Ereignis, wenn Besuch aus Kanada oder Deutschland angekündigt wurde – seien es Freunde meiner Eltern oder Verwandte. Ich nahm dann am Rand der Matetee-Runde Platz und lauschte fasziniert den Erzählungen der Gäste aus der Ferne. Sie brachten eine völlig andere Welt in den Chaco, auch wenn sie in Kanada in einem mennonitischen Dorf lebten, so wie wir. Der Unterschied war, dass bei ihnen Schnee lag.

Einfallslose Couch-Hocker

Auch heute noch kenne ich zahlreiche Menschen von unserem Schlag, für die Urlaub bedeutet, die Bekannten und Verwandten aus dem anderen Kontinent zu besuchen. Für einen sparsamen, wenn nicht gar knausrigen Mennoniten ist diese Art des lustvollen Verreisens eine billige Art, andere Länder zu entdecken. Hans Peters (Name geändert) aus Abbotsford hat sich mal bei mir über seine Verwandtschaft aus Deutschland, die gerade in Kanada weilte, beschwert. „Mit ihnen konnte ich nichts anfangen, die saßen den ganzen Tag nur auf meiner Wohnzimmercouch, und das tagelang. Glück gehabt, würde ich sagen, denn wenn diese Gäste auch noch ein anspruchsvolles Reiseprogramm haben, dann kann der Gastgeber mit ihnen durch die Prärie nach New York kutschieren, wobei sich die so Beglückten noch nicht mal an den Spritkosten beteiligen. Allerdings besteht auch immer die Möglichkeit der Revanche. Im nächsten Jahr kann der Kanadier den lieben Schwager in Deutschland einen Gegenbesuch abstatten. Um dann seine Ansprüche kundzutun: eine Spritztour zum Kölner Dom, zur Loreley, nach Berlin, vielleicht sogar in die Toskana.

Verwandtenbesuche sind out: Heute reisen Mennoniten nach Cancún

Heute machen die modernen Mennoniten den klassischen Pauschalurlaub: Sie baden im Mittelmeer in Mallorca, trinken Bier am Ballermann, kraxeln auf die Alpen, vergnügen sich in Cancún, schießen Urlaubsfotos auf der Safari in Kenia.

Urlaub am Lago Ypacaraí in der Nähe von Asunción Ende der 60-er/Anfang 70-eer – für mennnonitische Familien aus dem Chaco noch eine Seltenheit.

Die großartige Großstadt

In Paraguay machten die Mennoniten in den 60-ern und 70-ern keinen Urlaub. Als Pioniere hatten sie kein Geld und keine Zeit übrig. Mein Vater hatte ein Geschäft, er musste sowieso in Abständen nach Asunción, um seine Bestände aufzufüllen. Also nahm er seine ganze Familie mit. Wir residierten im Hotel Copacabana der Familie Fast (mennonitischer Bezug musste sein). Ich war überwältig: Stundenlang konnte ich dem Autoverkehr zusehen. Die Menschen auf den Asuncioner Straßen gingen schneller und eleganter als wir bäuerlichen Menschen im Chaco. Abends auf der Plaza konnte ich junge Pärchen beobachten, die sich ungeniert abküssten. Jedermann konnte zusehen. Nach dem Ende der Ferien zum Schulanfang fragte der Lehrer nach unseren Erlebnissen in den Ferien. Begeistert erzählte ich von der großartigen Großstadt. Dann merkte ich, dass ich der einzige war, der überhaupt Urlaub gemacht hatte. Während ich den Autos zuschauten, mussten sie: Unkraut jäten, Baumwolle pflücken, Erdnüsse ernten. Ich war peinlich berührt und sprach nicht mehr über meinen Urlaub.

Amische Familie am Strand. ©Envato

Amische am Strand von Florida

Bei den Amischen war Urlaub auch keine Kategorie, damals. Heute haben sie das Urlauben auch für sich entdeckt. Pinecraft ist ein kleiner Ortsteil in Florida, der als „Amisch-Strand“ bekannt ist. Viele Amisch-Familien verbringen hier den Winter, um der Kälte in ihrer Heimat zu entfliehen. Die Straßen Dee Gausse en Pinecraft send dan voll met Mensche, dee auls em 18. Joahhundat jetjleedt send. Aum Strand send se oba manchmol enn Bodaunziej en Bodbetjse to seehne.

Der mennonitische Weg: Mennonite Your Way

Die Internet-Plattform Mennonite Your Way, gegründet schon 1976, übernimmt die typische Art der Mennoniten, Urlaub zu organisieren. Das Angebot beruht auf dem Prinzip, dass ich meine Wohnung oder ein Zimmer oder nur die Couch des Wohnzimmers für eine Spende urlaubenden Personen zur Verfügung stelle. Voraussetzung ist eine Registrierung bei „Mennonite Your Way“. Da Tausende Mitglieder sind, existieren über auf der Welt günstige Urlaubsziele. Außerdem lernt man andere Mennoniten bzw. Christen kennen. Reisende können bei Mennoniten auf der ganzen Welt übernachten und auf diese Weise authentische Erfahrungen machen. Dabei spielen aber auch christliche Werte eine wichtige Rolle – Gastfreundschaft, Nächstenliebe, Fürsorge, Vertrauen.

Übernachten für eine faire Spende

Die Plattform bietet verschiedene Unterkunftstypenan – separate Wohnungen, Wohnmobile, Gastzimmer, die Couch im Wohnzimmer. Komplett gratis ist dieses nicht, wie oben schon berichtet wurde. Wer aus dem Katalog einer Druckausgabe auswählt (das Verzeichnis kann man online bestellen), der muss Folgendes wissen: Der Gastgeber bittet um eine faire Spende, die vor der Ankunft vereinbart werden sollte. Pro Mahlzeit wird ein Aufpreis von fünf US-Dollar empfohlen. Wer jedoch über die Online-Plattform bucht, der muss dieses beachten: Der Gastgeber stellt eene Liste für die Leistungen auf, für die er eine Spende erwartet. Er kann auch zusätzliche Angebote auflisten: für einen Reiseleiter, das Abholen vom Flughafen oder für die Nutzung eines Whirlpools etc. Wenn der Gast diese Angebote nutzen will.

Das echte Couchsurfing und die kommerzielle Kopie

Die ursprüngliche Form dieses Urlaubens heißt Couchsurfing, denn das Grundprinzip beinhaltet das zwanglose Übernachten bei – und wenn auch nur eine Couch zur Verfügung steht. Das Prinzip von Mennonite Your Way hat die Firma „Couchsurfing“ aufgegriffen – mit komfortableren Angeboten, die aber auch Geld kosten. Ein kommerzielles Gastfreundschafts-Netzwerk mit 12 Millionen Mitgliedern!

Ein Herner rechnet mit weniger Gästen als ein Hamburger

Mennonite Your Way ist uns sympathischer. Es sind ja auch „unsere“ Menschen, die das Konzept erfunden und weiter entwickelt haben. Würde ich mich als Herner Bürger registrieren lassen, würde ich davon ausgehen, dass ich in meiner Wohnung wenig Gäste aufnehmen muss. Denn wer macht schon in Herne Urlaub. Ich dagegen kann New York, Los Angeles oder Hamburg kostengünstig besuchen. New Yorker, Kalifornier oder Hamburger werden sich gut überlegen, ob sie den mennonitischen Weg gehen. Denn Gäste müssten sie wohl reichlich begrüßen.

Scheenen Urlaub wenscht Horst Moates von

menno-welt.net

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert