Familienforschung: Zeitreise ins 17. Jahrhundert
Foto: Bei einer solch großen Familie lohnt sich Familienforschung: der Jansson-Tag im Jahr 1936. ©Johann Peter Wiebe
Mennoniten betreiben Familienforschung – besonders in Nordamerika, aber auch in Deutschland. Bei mennonitischen Veranstaltungsreihen sind auch immer Events für die Familienforschung vorgesehen. Johann Peter Wiebe berichtete jetzt bei einem Zoom-Vortrag des Mennonitischen Geschichtsvereins über seine Vorfahren, die Jansson/Jantzen.
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Aneignung von Geschichts-Wissen
Johann Peter Wiebe ist Vorsitzender des Mennonitischen Arbeitskreises Polen. Nicht zufällig – seine Eltern und weiteren Vorfahren stammen aus dem mennonitischen Siedlungsgebiet in Polen. Sein Interesse für Familienforschung wurde unter anderem geweckt, als nach Ende des Kalten Krieges Fahrten ins Weichselgebiet möglich wurden. Dabei besuchten er und seine Familie auch den ehemaligen Hof seiner Eltern. Bei wiederholten Reisen eignete er sich eine Expertise über die ehemaligen Siedlungen der Mennoniten an, so dass er heute Reisen im Namen des Mennonitischen Arbeitskreisen organisiert und durchführt. Gleichzeit vertiefte er sein Wissen über Familienforschung, recherchierte über Gepflogenheiten, Gesetze, Erb-Regelungen und über seine eigenen Wurzeln. „Dabei habe ich mich tief in die Geschichte des Siedlungsgebietes eingearbeitet und haben die gewonnenen Erkenntnise in die Familiengeschichte eingebettet.“
Kanadische Stiftung digitalisierte polnische Akten
Die Daten für seine Forschung entstammen zum großen Teil den Grundbüchern und Akten des Archiv Marienburg/Malbork, die von der kanadische D. F. Plett Historical Research Foundation digitalisiert und online zugänglich gemacht wurden. Bei der Übertragung der teilweise schwer lesbaren Handschriften waren ihm Verwandte und Bekannte behilflich.
Und hier die Familiengeschichte
Erste Generation: Häuschen bauen – und Branntwein brennen
Im 17. Jahrhundert zogen die Jantzens (wir bleiben bei dieser Namensvariante) aus Emden in das Weichsel-Nogat-Delta. Das früheste Dokument ist ein Kaufvertrag aus dem Jahr 1618. Ein Peter Paulsen verkaufte an den „Jacob Jantzen von Embden“ Mietland in Beiershorst, der darauf ein Häuschen bauen und Branntwein brennen wollte, um sich zu ernähren. 1612 war den Täufern in Emden die Religionsausübung verboten und diese 1613 mit einer Strafe von 5000 Talern bedroht worden. Vermutlich war das der Grund, warum Jacob Jantzen in Beiershorst, einem kleinen Dorf westlich von Tiegenhof im großen Werder (rund 60 km südöstlich von Danzig) auftauchte. Er überlebt dort den 2. schwedisch-polnischen Krieg von 1655-1660, in dem alle Höfe bis auf einen niedergebrannt wurden.
Zweite Generation – Frau mit Märtyrer-Vorfahren
Sein Sohn Cornelius Jantzen (?-?) heiratete Anna Claassen (vor 1690-?). Sie lebten auf einem Hof im Elbinger Ellerwald. Anna Claassens Vorfahren lassen sich bis zum Urgroßvater Cornelius Sprungk (um 1560 in den Niederlanden – 1618 in Altebabke, Ellerwald) zurückverfolgen. Wahrscheinlich gehörte Cornelius Sprungk zu jenen Täufern, die 1585 aus Antwerpen fliehen mussten. Der Name Sprunck findet sich heute noch in Antwerpen und kommt unter den ältesten Täufermärtyrern in den Niederlanden vor.
In der dritten Generation wird häufiger mal geheiratet
Cornelius Jantzen und Anna Claassen hatten einen Sohn Jacob Jantzen (1714 in Ellerwald – 1772 in Einlage), der zweimal heiratete und dessen Witwe nochmals heiratete. Um das Erbe der Kinder aus drei Ehen gibt es umfangreiche Dokumente in den Grundbüchern und deren Beilage-Akten in der Marienburg, der Deutschordensburg an der Nogat.
Nach der Teilung Polens gehörten Mennoniten zu Preußen
Auf Grund der Teilung Polens 1772 gehörten die meisten Mennoniten in Westpreußen nun zum Königreich Preußen. 1783 wurde auf Grundlage der Preußischen Hypothekenordnung eine standardisierte Erfassung von Grundbüchern und Grundakten durchgeführt, in denen Besitzüberschreibungen festgehalten und Erbangelegenheiten geregelt wurden. In diesen Zusammenhängen sind in diesen Akten auch die jeweiligen Besitz- und Vermögensverhältnisse sowie Steuern und Abgaben beschrieben.
Witwer-Pflichten: Kinder mit Kost, guter Kleidung und Schulbildung versorgen
So existiert auch der Kaufvertrag über den Hof im Dorf Einlage zwischen Jacob Jantzen (der zweimal heiratete) als Käufer und dem Vorbesitzer Jacob Claassen. Eine Wiederverheiratung eines Witwers oder einer Witwe wurde immer vor Gericht dokumentiert. Nachlassrechte der überlebenden Kinder sowie die Rechte und Pflichten der Eltern und Stiefeltern wurden geregelt und detailliert angegeben. Z. B. wurde nach dem Tod von Jacob Jantzens erster Ehefrau Catharina Kroeker (1712-1768 in Einlage) der Witwer verpflichtet, die Kinder mit Kost so gut er sie selbst genieße und mit guter Kleidung zu versorgen, sie zur Schule und zum Guten fleißig anzuhalten. Das Erbe war detailliert als Sach- und Geldleistungen aufgelistet und die Auszahlung für Söhne bei ihrem 20. Geburtstag, für die Töchter an ihrem 18. Geburtstag fällig. Beide Ehepartner waren Miteigentümer einer Immobilie. Der überlebende Teil erbte die Hälfte, die andere Hälfte ging an die legitimen Kinder, die alle die gleichen Erbrechte hatten.
Erste Ehe des Jakob Jantzen
Aus dieser ersten Ehe des Jakob Jantzen (3. Generation) mit Catharina Kroeker stammten sieben überlebende Kinder, ein Johann, eine Tochter, die einen Kröker heiratete, ein Abraham (*05.12.1740), ein Jacob (*1748), der nach Australien auswanderte, ein Peter (*1750), ein Gerhard (*1755) und eine Maria, die ersten drei Kinder in Ellerwald, die anderen in Einlage geboren.
Stammvater der großen Jansson-Sippe
1768 heiratete der Witwer (immer noch Jakob Jantzen, 3. Generation) Catharina Woelke (ca. 1746-1787). Sie war ungefähr im Alter ihrer Stiefkinder. Drei Söhne namens Cornelius wurden geboren, der dritte Cornelius (4. Generation) überlebte und ist der Stammvater der großen über Europa, Nord- und Südamerika verteilten Jansson-Sippe, die sich noch heute in Abständen von fünf Jahren trifft.
Vater und Mutter gestorben – Sohn zieht zur Tante
1772 starb Jacob Jantzen aus der 3. Generation in Ellerwald. Als seine Witwe Catharina geb. Woelke 1777 den Johann Kroecker heiratete, wurde das Erbe des fünfjährigen Sohnes Cornelius Jantzen (4. Generation) auf die Hälfte (4018 Reichstaler) des auf 8.037 Reichstaler ermittelten Besitzes der Catharina Jantzen festgesetzt und in die Spezial Hypothek eingetragen. Vier Kinder dieser Ehe sind bekannt. Als die Mutter Catharina geb. Woelke starb, zog ihr 16jähriger Sohn Cornelius zu seiner Tante Marie Wolke (verh. mit Heinrich Wiebe in Schönhorst, Elbing). Das Erbe des Cornelius und seiner vier jüngeren Halbgeschwister wurde festgesetzt, 833 Reichstaler und Sachwerte für jedes Kind.
4. Generation baut repräsentatives Vorlaubenhaus
Cornelius Jantzen/Jansson (vierte Generation, *1771 in Einlage – 1849 in Tiege, Elbing) heiratete 1797 eine Witwe Claassen in Tiege, Elbing, deren Söhne mindestens so alt waren wie er. Nach fünf Jahren ließ er von dem Baumeister Peter Löwen das repräsentative Vorlaubenhaus bauen, das noch heute steht. Seine Frau starb 1821 ohne KInder aus dieser 24jährigen Ehe, nachdem sie 12 Jahre krank gelegen hatte. 1824 heiratete er 53jährig seine 24jährige Nachbarin Sara Dueck (1799 in Orloff, Elbing-1858 Tiege), mit der er in Tiege fünf Kinder hatte: Cornelius (1825-1826 in Tiege), Cornelius (1827-1916 in Tiege, fünfte Generation, siehe Foto unten), Sara (1829-1859 in Irrgang, Marienburg), Agate (1831-1831 in Tiege), Katarina Jansson (1833-1834 in Tiege) – alle der fünften Generation angehörig. Dieser Familie entstammen eine Reihe von Predigern und Ältesten der westpreußischen Mennoniten.
Junger Mann heiratet ältere Witwe mit Hof
Wie kam es zu diesen riesigen Altersunterschieden der Ehepartner? Preußen hatte die 1772 von Polen übernommene tolerante Politik gegenüber den Mennoniten verschärft. Seit 1789 durften Mennoniten keine Höfe mit dem Privileg der Wehrfreiheit von Andersgläubigen kaufen. Ab 1792 durften Höfe nur noch in direkter Line vererbt werden, wenn die Wehrfreiheit weiter gelten sollte. Beim Kauf eines bisherigen Mennonitenhofes durch einen Nichtverwandten wurden diese Privilegien aberkannt. Eine verbleibende Möglichkeit war in einen Hof einzuheiraten. So hat manch junger Mann eine Witwe geheiratet, die einen Hof besaß, manches Mal war die Witwe doppelt so alt war wie der Bräutigam.
Wer mehr zu diesen mennonitischen Überlebensgeschichten wissen will, wendet sich an Johann Peter Wiebe jop.wiebe@t-online.de
Zoom-Vorträge zur Familienforschung: Wie immer von 19:30 – 21 Uhr, Einwahl über https://www.mennonitischer-geschichtsverein.de/mennonitische-familienforschung-per-zoom/
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