Wie er da steht, auf der weitläufigen Holz-Veranda seines Pfahlbautenhauses, ein ganzer Mann, die Hand lässig aufs Geländer gestützt, einen amerikanische Cape auf dem Kopf, prächtiger Estanciero-Schnäuzer, selbstbewusster Blick in die Kamera – da denkt man an die verrückten Typen, die Gabriel García Marquez in seinen Romanen schildert.
Reportage von 2009: HORST MARTENS / Fotos: THOMAS SCHMIDT
Laureano Gómez ist auf seine Art auch verrückt, besessen. Er war Bauer in einem kleinen Nest im Osten Paraguays, pflanzte auf seiner Chacra, einer kleinen Farm, Mandioka, Baumwolle und Gemüse an, besann sich dann darauf, das er Entdecker sein wollte. Er verkaufte sein Landgut und erwarb dafür ein Boot, auf dem er sein Hab und Gut verstaute, viel Platz brauchte er auch nicht dafür. Das Boot ließ er am Ufer des Río Paraguay ins Wasser, er überquerte rudernd die Wasserstraße und befand sich plötzlich, ohne es bemerkt zu haben, auf dem Rio Montelindo, der hier in seinem Unterlauf zu einem ansehnlichen Fluss angewachsen ist, so dass seine Einmündung in den Paraguay leicht übersehen konnte.
Der Montelindo, was übersetzt so viel wie schöner Busch heißt, ist ein typischer Regenwasserfluss, d. h. er hat keine Quelle, aus der er gespeist wird. In seinem Bett sammelt sich das Regenwasser der Umgebung und fließt dann seinem Meisterfluss entgegen. Aber so wie das Wasser abnimmt, weil Regen ausbleibt, so vermindert sich die Strömung auf, bis der Rio nur noch ein stehendes Gewässer ist und am Schluss ein Flussbett mit einzelnen Tümpeln. Von diesen Flüssen gibt es viele in der Gegend, sie heißen Rio Negro, Rio Verde, Rio Aguaray-Guazu.
Der Montelindo windet sich in unzähligen Mäandern von Westen nach Osten. Laureano Gomez, der 29-Jährige, paddelte emsig in die Gegenrichtung. Tag und Nacht. Bis er schließlich zu einer Stelle kam, an der er eine Picada entdeckte. „Ich wunderte mich über die schnurgerade Piste. Leute, die ich hier traf, sagten, dass dieses die Trasse für die Ruta Trans Chaco wäre. Da habe ich gedacht: Hier lass dich nieder.“
Und dort ist er bis heute geblieben. Auf unserer Reise von Asunción in die „Colonias“ hielten wir am Montelindo, weil uns die Idylle beeindruckte: Der Rio floss nicht mehr, sondern bestand nur aus einzelnen Wasserlachen, in denen sich der kobaltblaue Himmel und tausende Palmen spiegelten. Am Rande der Brücke stand dieses Haus, auf 2,5 Metern hohen Pfählen stehend, komplett aus halbierten Palmenstämmen gebaut. Auf einem Schild stand „Hospedaje Maravilla“, „Herberge ‚Das Wunder’“. Laureano Gomez hielt gerade seine Siesta in einem kleinen Laden, den er am Rande der Straße aufgerichtet hatte.
Mit einem Lächeln lud er uns ein, sein Gästehaus zu besuchen. Über eine Brücke gelangten wir auf eine große Veranda, die Teil einer Plattform war, auf der das Haus stand. Er zeigte uns die einzelnen Räume, die sehr karg eingerichtet waren, aber die Menschen, die hier verkehren, erwarten auch nicht mehr.
Drei nett aussehende Chicas, eine davon mit Kind, schwangen lasziv in Hängematten hin und her und sprachen kein Wort mit uns. Seine Töchter, dachten wir. „Nicht doch“, schüttelte Don Laureano den Kopf, „alles Angestellte, die Ihren Aufenthalt verschönern wollen“. Im Moment sei keine Kundschaft da, aber am Wochenende, da brumme der Laden.
Update von 2014
Fünf Jahre später unternehme ich mit meinen beiden Söhne ebenfalls eine Reise in den Chaco. Wir halten auch am Montelindo. Alles scheint wie damals: der Fluss, die Brücke, das Haus aus Palmholz. Als wir aussteigen, winkt uns der Chef aus dem Haus hinaus zu. „Kommt näher“, ruft er uns zu. Doch dann sehen wir: Es ist nicht Laureano Gomez. Nein, sagt der Neubewohner, Laureano Gomez hat dieses Haus aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben.“ Mehr erfahren wir nicht über den Verbleib des Pioniers. Schade.