Foto: Johann Penner relaxt in der Hängematte. Aufgrund seines enormen Arbeitspensums kommt er dazu seltener als gehofft.
„Meine Konzerthose ist enger geworden“
Johann Penner ist mit seiner Familie nach Paraguay gezogen und genießt jetzt im Chaco bei den Mennoniten in Loma Plata das warme Wetter. Beruflich ist er als Musiklehrer ausgebucht.
www.menno-welt.net hat schon mitgeteilt, dass Penner Musiklehrer im subtropischen Menno ist und ein Klassik-Konzert dirigiert hat. Jetzt meldet sich Penner selbst zu Wort – in einem Gespräch über WhatsApp mit Horst Martens.
Horst Martens: Warum bist du nach Paraguay ausgewandert? Hast du deine ganze Familie in den Chaco mitgebracht?
Johann Penner: Wir sind nicht ausgewandert. Auch wenn das der Story einen viel exklusiveren Anstrich geben würde, sind wir „leider nur“ für einen Arbeitsaufenthalt als Musiker und Lehrer (meine Frau als Physiotherapeutin) an unserer Partnerschule in Loma Plata/Paraguay.
Unser ältester Sohn ist für diese Zeit in der deutschen Heimat geblieben, um sein Abitur zu absolvieren. Wir freuen uns schon sehr, ihn wiederzusehen.
Martens: Du hast dich also gar nicht endgültig in Paraguay niedergelassen?
Penner: Nein, wir sind spätestens, wenn Gott will und wir leben, im Dezember ˋ23 wieder in der guten alten BRD. Meine Frau und die Kinder kommen schon früher.
Martens: Womit verdienst du dir deine Brötchen im Chaco? Bestimmt mit Musik, oder?
Penner: Ich unterrichte an der weiterführenden Schule, an der Musikschule, Bibelschule und dem Institut für Lehrerbildung. In den Kirchen der Mennoniten unterstütze ich die Chöre und Musiker mit Singwochen und ähnlichen Projekten.
Martens: Boah, das ist ja eine ganze Menge. Nach Urlaub und Erholung sieht das nicht so aus. Aber wenn du mit den Chaqueños gut auskommst, ist es vielleicht weniger Stress?
Penner: Aufgrund meines spezifischen Berufsfeldes erfahre ich natürlich vermehrt die deutsch-mennonitische Kultur und den Alltag der hier lebenden Mennoniten im Chaco.
Gute Gespräche mit Witz und Tiefgang in plattdeutscher Sprache über Gott und die Welt, stets mit reichlich Fleisch und kühlen Getränken flankiert, bilden den Rahmen unserer Freizeit hier. Meine Konzerthose ist enger geworden.
Da meine Frau und ich einen klar umrissenen mennonitischen Hintergrund haben, sind wir quasi seit dem ersten Tag hier integriert. Ich wusste, dass Kultur und Ethnie eine verbindende Kraft haben, das diese aber so stark sind, hätte ich nicht gedacht.
Martens: Aber es leben ja nicht nur Mennoniten im Chaco. Hast du auch Kontakt zu den anderen Ethnien?
Penner: Hin und wieder ergibt es sich, dass wir auch ein wenig das Leben und die Mentalität der sogenannten Latinos – Beispielsweise im Hauskreis unserer Kirche – erleben. Die kulturellen Unterschiede der Latinos sind zu den Mennoniten hier noch größer, als zwischen den Russlanddeutschen und den sogenannten Hiesigen in Deutschland – und die sind ja nicht gering ;).
Martens: In wieweit ist Paraguay anders als Deutschland? Wie erleben deine Familienangehörigen das für dich und sie doch fremde Land?
Penner: Paraguay ist in vielen Hinsichten anders: Als Autofahrer musst du nie zum TÜV, du solltest aber immer ein Abschleppseil dabei haben. Falls du bei Regen und Matsch dann vom Erdweg in den Graben schlitterst, helfen dir kein TÜV oder ADAC, sondern immer hilfsbereite andere Autofahrer. Ist mir bislang dreimal passiert. Für längere Fahrten ist es ratsam, einen zusätzlichen Benzinkanister mitzuführen, da Tankstellen über weite Strecken ausbleiben.
Es kann durchaus sein, dass unvermittelt für eine kurze Zeit, oder auch für einen halben Tag der Strom ausfällt. Dieser Umstand stört die Menschen hier nicht wirklich. Überhaupt haben wir festgestellt, dass die Paraguayer ein glückliches und warmherziges Volk sind.
Martens: Das Wetter trifft die Menschen viel stärker als in Deutschland?
Penner: Das, was die Heizung für uns in Deutschland ist, ist für den Paraguayer die Klimaanlage – ein ständiger Begleiter im Haus, im Auto, in der Kirche und der Schule. Stadtwerke für Wasser- und Abwasserversorgung gibt es nicht. Jeder ist bemüht, möglichst viel Regenwasser über die eigene Dachflächen in seiner Zisterne für seinen Wasserbedarf zu sammeln. Ist die Zisterne einmal leer, kommt auch kein Wasser aus dem Wasserhahn mehr. Die Menschen im Chaco sind stark von der Land- und Viehwirtschaft abhängig und damit letztlich vom passenden Wetter.
Der simple wirtschaftliche Kreislauf, angefangen bei Regen und Sonne bis hin zu Milch und Brot auf dem Tisch und bis zu dem Geld auf dem Konto, ist hier für jedermann direkt erfahrbar.
Zu der Andersartigkeit gebe es noch viel zu berichten…
Martens: Kommt deine Familie mit den neuen Bedingungen zurecht?
Penner: Unsere Kinder haben hier gute und echte Freunde gefunden. Der Sportverein, die Kirche und die tolle Schulgemeinschaft bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten, hier schnell und unkompliziert in die Gemeinschaft mit anderen Teenagern und Jugendlichen zu finden.
Unsere neu geschlossenen Freundschaften sind für uns hier zum wertvollsten Gut geworden. Die vielen schönen Abende mit unseren Freunden bei subtropischem Wetter unter Palmen und Sternenhimmel werden mit Sicherheit die kraftvollsten und tiefsten Erinnerungen ausmachen.
Martens: Welches sind deine Pläne für die Zukunft?
Penner: Wenn die Arbeit hier getan ist, warten wieder die Verpflichtungen bzw. der Alltag in Detmold auf uns – bestimmt dann aber mit weniger Rindfleisch und Sonne.
Martens: Wird es denn ein Wiedersehen geben?
Penner: Vielleicht ergibt es sich, dass wir im Sommer 2027 mit einer größeren Gruppe aus Detmold zum 100-jährigen Jubiläum der Menno-Kolonie hier wieder aufschlagen, um dann mit unseren Chaco-Freunden das Leben zu feiern.
Ich bedanke mich für das Gespräch.
Horst Martens
Johann Penner hat sich in Deutschland als Konzert- und Opernsänger etabliert. 2009 schloss er ein künstlerisches und pädagogisches Gesangsstudium an den Musikhochschulen in Weimar und Detmold ab. Sein Repertoire umfasst Bachs Oratorien wie auch viele seiner Kantaten, Händels Messias, Haydns Schöpfung und vieles mehr. Auch in Opern ist er immer wieder aufgetreten. Zuletzt unterrichtete er in Detmold an der August Hermann-Francke-Schule als Lehrer.