Durch „mennonews.de“ wurde ich auf den “Digitalen Donnerstag” der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden (AMG) aufmerksam. Die Veranstaltung am 28. November trägt den Titel: “Absonderung – old order in the making”. Dabei geht es um das Konzept der “Erfindung von Tradition” (invention of tradition).
Erfindung von Tradition
In der Ankündigung heißt es: “Old Order” – weltweit werden Mennoniten oft über die „Old Order“-Gemeinden wahrgenommen. Diese scheinen jahrhundertealte Glaubens- und Lebensformen zu bewahren. Doch tatsächlich ist die Entstehung der „Old Order“-Gemeinden ein klassisches Beispiel für die „Erfindung von Tradition“. Referentin der unten angegebenen Donnerstage ist im Übrigen Astrid von Schlachta, Leiterin der mennonitischen Forschungsstelle im Weierhof und eine herausragende Historikerin der Täufergeschichte.
Alte Tradition eigentlich neu
Das Konzept der “erfundenen Tradition” stammt von Eric Hobsbawm und Terence Ranger. Diese Wissenschaftler argumentieren, dass einige als alt und historisch geltende Traditionen in Wirklichkeit relativ neu und bewusst geschaffen sind. Sie vermitteln eine Geschichte, die weit in die Vergangenheit zurückreicht. Ein Beispiel ist die britische Monarchie, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert Bräuche entwickelte, die den Anschein erwecken, uralte Traditionen zu sein. Ähnliche Phänomene fanden die Wissenschaftler in Indien und den schottischen Highlands.
Traditionen stärken Hierarchie
Ein Grund für erfundene Traditionen ist die Bildung oder Legitimation hierarchischer Institutionen und Gesellschaften. Diese Form passt besonders gut auf die “Old Order”. Der “Digitale Donnerstag” könnte uns dazu interessante Einblicke liefern. Siehe auch: Ein amerikanischer Katholik lobt die Old-Order-Mennoniten: „Sie atmen das Neue Testament“ – Menno-Welt
Auch Medien erfinden Traditionen
Erfundene Traditionen spielen jedoch auch auf anderen Ebenen eine Rolle. In der modernen Welt, die nach einem verlorenen Sinn des Lebens sucht, belügt man sich oft selbst mit Traditionen, besonders durch die Medien, die gerne Klischees bedienen. Ich bin im Chaco Paraguays aufgewachsen und habe erlebt, wie Printmedien und Fernsehen die Realität verzerren. Ein Beispiel ist eine Reportage in der “Süddeutschen Zeitung”, die voller inhaltlicher Fehler war. Die Autorin kam wohl in den Chaco, um über die vermeintlich im Mittelalter steckenden Mennoniten zu berichten. Sie war enttäuscht, eine relativ moderne Gesellschaft vorzufinden und suchte daher nach Überbleibseln aus einer konservativen Zeit. Ihre Recherchen interpretierte sie nach ihren Vorurteilen. Die Redaktion setzte noch einen drauf: Das Hauptfoto überdie Kolonie Fernheim zeigte Old-Order-Mennoniten aus den USA. Menschen aus der Kolonie beschwerten sich beim Presserat, der der Zeitung eine Rüge erteilte.
„Digitaler Donnerstag“, immer 19.30 Uhr, per Zoom.
Vier Abende führen hinein in täuferisches Leben nach den Anfängen – mit Astrid von Schlachta. Unter dem Titel „Täuferische Geschichte reloaded: Wie es weiterging …“ richten sich die Abende an historisch Interessierte und Menschen, die mehr über die fortlaufende Entwicklung der Täufer erfahren möchten.
14.11. Gemeindeleben – vom Wandel täuferischer Gemeinden
21.11. Erneuerung – zwischen Frühaufklärung und Erweckung
28.11. Absonderung – old order in the making
Einwahldaten unter https://www.mennoniten.de/digitaler-donnerstag/