Kolonisten zerlegen Stämme in der Kolonie Providencia, Peru. © Kennert GiesbrechtKolonisten zerlegen Stämme in der Kolonie Providencia, Peru. © Kennert Giesbrecht

Die Realität ist wie immer komplexer

„Mennonitische Landräuber in Meta vor Gericht“ titelte am 30. August „colombia informa“, ein kolumbianischer Nachrichtendienst: Gemeint waren zwölf mennonitische Siedler, die wegen Abholzung und Umweltzerstörung in einem ökologisch empfindlichen Gebiet angeklagt waren.

In vielen lateinamerikanischen Ländern werden plautdietsch-mennonitische Siedler beschuldigt, illegale Abholzung zu betreiben und indigenes Land zu besetzen. Die Kläger sind meist ausländische Umweltorganisationen und indigene Gemeinschaften. Die Schuldzuweisungen scheinen eindeutig: Die Mennoniten sind die schwarzen Schafe. Doch die Realität ist komplexer.
Kennert Giesbrecht, ehemaliger Chefredakteur der Mennonitischen Post, erklärt: “Das Ziel aller mennonitischen Siedlungen in Lateinamerika ist es, legales Land zu kaufen und dies aufrichtig zu tun.” Er räumt jedoch ein, dass es auch unehrliche Makler gibt. Giesbrecht reiste im Auftrag der mennonitischen Plett-Stiftung durch die Kolonien in Peru und Kolumbien sowie für das MCC durch die Kolonien in Bolivien.

Reisernte in der Kolonie Wanderland, Peru. ©Kennert Giesbrecht

Siedler-Mythos scheint passé

Der Pionier-Mythos der plautdietschen Mennoniten ist Jahrhunderte alt. Von Danzig über Russland und Kanada bis nach Lateinamerika erstrecken sich ihre Kolonisierungsstationen. Doch in Westeuropa und in den USA haben die mennonitischen Kolonie-Gründer ihr Ansehen verloren. Dort dominieren heute Schlagworte wie „Climate Justice“ (Klimagerechtigkeit), Historische Gerechtigkeit (Landrückgabe an Indigene), Menschenrechte. Trotz des gegenläufigen Mainstreams steht auch heute – zumindest in Lateinamerika – ein großer Teil der Landesbevölkerung hinter den Pionierleistungen der Mennoniten. Der Staat hält sich gegenüber den Vorwürfen meist zurück, da die Ernte-Erträge und sonstige Leistungen der Mennoniten geschätzt werden. Ein deutscher Freiwilliger in Bolivien berichtet: „Die Landesbevölkerung findet die Mennoniten richtig gut, weil sie die Landesbevölkerung um Umkreis auch sozial unterstützen. Kritik kommt meist von Europäern.“

Das Umweltmagazin Mongabay.com aus den USA (!) hat alle Konflikte mit mennonitischen Siedlungsunternehmen aufgelistet und Reporter nach Kolumbien, Bolivien, Peru, Mexiko und Paraguay geschickt. Wir nennen exemplarisch einige der Umweltkonflikte. Wer will, kann sich unter Mongabay.com näher informieren.

Kolumbien

Die indigenen Völker der Sikuani kämpfen für die Wiedererlangung ihres angestammten Territoriums im Departamento Meta in Kolumbien, das von privaten Unternehmen und Mennonitenkolonien besetzt ist. Die Gemeinschaften prangern unter anderem Abholzung und Wasserverschmutzung an.

Bolivien

Mennonitische Sojaplantagen sind laut mongabay eine der Hauptursachen für den Verlust von Wäldern in den Departements Beni und Santa Cruz, wo gefährdete Gebiete wie das Trockenwaldbiom von Chiquitanía bereits unter Dürren und Bränden leiden.

Perú

In Masisea in der Region Ucayali wurde 2017 eine Mennonitenkolonie bolivianischen Ursprungs gegründet. In Tierra Blanca in der Region Loreto gibt es drei weitere Kolonien – Wanderland, Östereich und Providencia –, die im selben Jahr entstanden. Für alle diese Kolonien ermittelt der Stadt lauf Umweltmagazin mongabay.

Bild einer neuen Kolonie in der Naehe von Trinidad, Bolivien. Diese Kolonie heisst Rio Verde und ist eine Tochterkolonie von Kolonie Oriente. © Kennert Giesbrecht

Mexiko

Seit 2002 haben die in der Gemeinde Bacalar in Quintana Roo ansässigen Mennoniten mindestens 124.000 Hektar Wald gerodet. Die illegale Landnutzungsänderung hat stattgefunden, ohne dass eine Behörde eingriff.

Paraguay

Im Department Caaguazú findet durch Mennoniten eine umfangreiche Waldrodung statt – in einem Gebiet, in dem noch Ureinwohnere leben.

Die Bilanz von mongabay.com: „Der Fußabdruck der Entwaldung, den die Mennonitenkolonien in Lateinamerika hinterlassen haben, ist alarmierend.“

Indigene vertreiben mennonitische Siedler

Die Kolonie Masisea betreibt in Gebiet Uyacali im peruanischen Amazonasgebiet Landwirtschaft. Laut Kennert Giesbrecht haben die mennonitischen Siedler „Land gekauft, dessen Legalität dann von der Indigenen-Gemeinschaft der Shipibo angezweifelt wurde. Die Mennoniten hatten aber ein Abkommen mit den Indigenen ausgehandelt, dass sie die Flächen behalten dürfen. Die Indigenen stimmten dieser Vereinbarung zu.“

Die Legalisierung der Ländereien durch Regierungsstellen war jedoch fraglich. Der Staatsanwalt des Umweltministeriums, Julio Guzmán, erklärt laut mongabay, dass „dies eine weitere Modalität des Landhandels ist, bei der die Entscheidung über Land auf dem Papier legal erscheint, aber auf betrügerischen Informationen basiert“. Nicht die Regierungsstellen oder die Strohmänner, die den Betrug arrangierten, werden verleumdet, sondern die Mennoniten, die von den dunklen Machenschaften allenfalls nach dem Landkauf erfuhren.

Holznutzung. Besenstiele machen und verkaufen. Kolonie in Peru. © Kennert Giesbrecht

Mit dem Wechsel der Leitung in der Shipibo-Siedlung kam es zu einem fundamentalen Meinungswechsel, wie Giesbrecht berichtet: „Die neuen Führer behaupteten plötzlich: ‚Das ist unser Land, wir wollen es zurück.‘ Dann vertrieben sie einige mennonitische Familien mit Gewalt und verbrannten die Gebäude, allerdings nicht die Wohnhäuser.“

Kein Protest gegen die Ölpalm-Plantagen

In Peru wohnen rund 2.500 plautdietsche Menschen im Amazonasdschungel. Die meisten bearbeiten kleine Flächen von zehn bis 20 Hektar und leben davon. Gleich neben der Kolonie hat sich ein Unternehmen niedergelassen, das Palmölplantagen betreibt: „10.000 Hektar wurden für die Ölpalmen kahlgeschlagen, gerodet und verbrannt, aber darüber redet niemand und darüber schreibt niemand“, berichtet Giesbrecht.

„Das Ziel: legales Land erwerben“

„Das Ziel aller mennonitischen Siedlungen ist es, legales Land zu erwerben und dieses aufrichtig zu tun“, behauptet Kennert Giesbrecht. Aufrichtigkeit bedeutet in diesem Fall: „Kein Land zu erwerben, wo der Titel fraglich ist“, sagt Giesbrecht. Ihr ausdrückliches Ziel ist ferner, kein Land zu kaufen, auf dem indigene Gruppen leben. Giesbrecht betont jedoch, dass die Siedler auch auf Zwischenhändler reingefallen sind. „Es waren Schufte“, sagt Giesbrecht, die auf unehrliche Weise die Mennoniten ausnutzten, weil sie auf Landsuche waren und das Geld dafür hatten.“ Auf diese Weise wurde hin und wieder Gebiete gekauft, die einen anderen Eigentümer hatte. „Da ist man in eine Schwierigkeit geraten und hat häufig mal auch Land verloren.“ Diese Fälle gab es in Peru, Kolumbien, Campeche in Mexico und Bolivien.

Strikte Vorgehensweise

Mennoniten im Norden und Osten von Bolivien, in der Nähe zur brasilianischen Grenze, haben sich eine strikte Vorgehensweise auferlegt: „Bevor sie auf das Land ziehen und mit der Bearbeitung beginnen, wollen sie sicherstellen, dass die Papiere sauber sind, ‚Saneamiento‘ heißt der Begriff auf Spanisch.“

Das sind gute Aussichten. Wir Mennoniten auf der ganzen Welt würden uns freuen.

Mennonitische Siedler fahren traditionell mit Pferdebuggy durch den Urwaldweg in ihre Kolonie Salamanca, Peru. © Kennert Giesbrecht
Ein Gedanke zu „Mennonitische Siedler im Fokus der Kritik“
  1. sehr guter Bericht.
    Ich finde die Siedlungspolitik der Mennoniten in Südamerika wird durch die Presse oft einseitig dargestellt. Da ist es nötig, dass man Menschen hat, wie Kennert Giesbrech und Horst Martens, die genauer hinschauen.
    Vielen Dank

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